Es ist gar nicht so leicht, wieder einen Einstieg zu finden, wenn die letzte Rückblende ein paar Tage zurückliegt. Ich werde es dennoch versuchen. In den letzten beiden Teilen der Rückblende habe ich über meine Lebensjahre bis zum Realschulabschluß (1975-1982) geschrieben und wie es mir in der Zeit so ergangen ist. Natürlich habe ich da nicht jede einzelne Situation aufgeführt. Erstens kann ich mich nicht an jedes Detail erinnern und Zweitens würde es den Rahmen hier vermutlich sprengen. Trotzdem wünsche ich Euch nun viel Spaß mit dem weiteren Abschnitt meines Lebens.
Gymnasium (1992-1995)
Nach der Realschulzeit hatte ich beschlossen das Abitur nachzuholen und wechselte daher auf das Wirtschaftsgymnasium. Wirtschaftsgymnasium bedeutet, dass man sich festlegt als ersten Leistungskurs BWL/BWL belegt. Dazu kommt dann noch das Fach Rechnungswesen. Zahlen waren halt meine Welt. Dennoch erhielt ich im ersten Halbjahr einen gehörigen Dämpfer. Ich war tatsächlich in zwei Fächern unterm Strich. Mal wieder die Fächer Deutsch und Englisch – und mal wieder, weil ich eine eigenwilligen Schreibstil habe und schreibe was ich denke und nicht was man erwartet. Zumindest war ich nicht die einzige Person die Schwierigkeiten hatte. Nur, dass ich noch die Kurve bekam und das erste Schuljahr unbeschadet überstanden habe. Man muss dazu sagen, von ungefähr fünf Klassen im ersten Schuljahr blieben etwas mehr als zwei über.
Privat lief es ganz gut. Das Mobbing der Nachbarskinder war vorbei – kein Wunder – die meisten waren in der Ausbildung oder fortgezogen, so dass ihnen dafür keine Zeit mehr blieb. Dafür zog aber ein Mädchen in unser Haus ein. Ein Mädchen was ich ziemlich schnell ins Herz geschlossen hatte. Ihr Name war “Blackwitch”. Wir verstanden und mochten uns sehr. Zur einer Beziehung kam es nie, obwohl wir sehr viel Zeit miteinander verbrachten. Wir waren also mehr dass, was man gute Freunde (Freundinnen) nennen würde.
Ihr Leben war alles andere als leicht. Vater dem Alkohol sehr zuträglich und ihre Stiefmutter lies sie quasi alles machen. Auf die kleinen Geschwister aufpassen, Windeln wechseln und Haushalt machen. Wir schrieben uns daher heimlich Briefe hin und her. Unser Briefkasten war ein Fach für den Feuerlöscher. Ich würde sagen, wir waren Seelen verwandt. Die Zeit mit ihr möchte ich nicht missen.
Wieder zurück zur Schule. Ich wählte als zusätzlichen Leistungskurs – Überraschung – Mathematik. Als Grundkurse Informatik und Französisch. Es hätte also im Grunde alles gut sein können. Betonung liegt auf hätte. Denn nun ging dort das Mobbing los. Ich war es ja gewöhnt, nur diesmal war es etwas anders. Es waren Klassenkameraden mir denen man sich vorher verstanden hatte. Ich glaube das waren die ersten schlaflosen Nächte meines Lebens. Es trifft einem irgendwie härter wenn es Menschen aus seinem direkten Umfeld sind. Und wieder ging etwas in mir kaputt, nur dass es diesmal auch meine Eltern mitbekommen haben. Wie es damals aber noch üblich war – Eltern mischten sich in so was nicht ein.
Zeit heilt, Zeit lässt einen vergessen und verdrängen. Ich biss mich durch. Hatte bis auf Blackwitch eigentlich keinen Menschen mit dem ich reden konnte. Umso härter traf es mich, als an einem heiligen Abend vor dem Haus ein Rettungswagen hielt und sie mitnahmen. Sie hatte sich aus Verzweiflung die Pulsadern aufgeschnitten. Ich war Ohnmächtig. Weihnachten war damit gelaufen. Sie überlebte es, keine Sorge. Sie hielt es daheim nicht mehr aus und wusste sich nicht mehr anders zu helfen.
Monate später – ich kam von einer Klassenfahrt zurück. War sie nicht mehr da. Sie war fort. Meine Eltern halfen ihr, Hals über Kopf das Elternhaus zu verlassen und auszuziehen. Sie sog für mich weit weg. Ich hatte ein Stück meinen realen halt verloren. Klar wir schrieben uns weiter Briefe, aber wie es nun mal so ist. Der Schriftverkehr wurde immer weniger bis er irgendwann im Studium verebbte. Sie zog nach Bayern zur ihren Freund.
Ich hatte jetzt also nur noch die Schule. Gründete die Computer AG mit und sorgte dafür dass die Abiturzeitung (Innovation an der Schule) am PC geschrieben wurde. Zusätzlich fanden einige Mitschülerinnen heraus, wie gut ich zeichnen konnte und wollten unbedingt dass ich die Bilder und das Cover für die Zeitung gestalte. Ein unerwartetes Kompliment.
Das Abitur machte ich dann 1995 mit dem Noten Durchschnitt 2,5. Ja, ich weiß ich war faul, hätte ich nur mal ansatzweise etwas gemacht, wäre vor dem Komma eine 1 gewesen.
Studium (1995-2004)
Nach dem Abitur ging es wie schon in der Realschule geplant mit dem Informatik Studium weiter. Ich hatte wieder ein Stück zum Ziel geschafft. Das Mobbing hatte ein Ende. In den ersten paar Semestern besuchte ich fleißig alle Vorlesungen und Seminare. War mehr oder weniger ein Musterbeispiel für einen guten Studenten. Doch es kam anders. Statt endlich aufzublühen, fühlte ich eine immer größer werdende Leere in mir. Nach und nach verlor ich den Antrieb. Ich konnte damals nicht sagen, was es war und was mit mir los war.
Ich suchte neben dem Studium Ausgleich, etwas was die Männlichkeit schlecht hin darstellte und fing an American Football zu spielen. Ich glaube heute, dass ich mich vermutlich nur ablenken wollte oder davon ablenken wollte, dass ich nicht so bin wie ich bin. Klar es machte auch Spaß. Die Hauptgründe waren aber eben andere.
Die Leistungen wurden im Studium immer schlechter, ich viel durch die erste Prüfung, durch die zweite. Ich verbrachte mehr Zeit damit im neuen Medium Internet zu surfen. Irgendwann zu chatten. Dort wusste niemand wer ich war. Ich wurde sogar zum Chat-Administrator. 2000 lernte ich meine spätere Frau in so einem Chat kennen.
Auf einem Chattertreffen lernten wir uns dann real kennen. Nach diesem Treffen meinte sie dann sie hätte sich in mich verliebt. Sie wollte also mehr. Ich empfand in Wirklichkeit nicht so wie sie. Ich wollte eigentlich keine Beziehung mit ihr. Dennoch lies ich mich von anderen beeinflussen und so stimmte ich dann nach langer Zeit doch zu. Mein vielleicht größter Fehler. Ich war zu leicht beeinflussbar.
Nun ging es also nicht nur im Studium bergab, sondern auch im Sport. Es folgte eine Verletzung der härteren Art. Ich kugelte mir im Training die Schulter aus. Lies mir diese fassungslosen Ärzten ohne Betäubung wieder einkugeln. Wie ihr wisst, bin ich da nicht so.
Juli 2001 folgte dann der bis jetzt schlimmste Tiefpunkt in meinem Leben. Ich war in den Semesterferien bei meiner Freundin. Es klingelte am Abend das Telefon. Am anderen Ende war mein Vater. Er brachte kaum ein Wort raus. Er war völlig aufgelöst und es brauchte etwas bis ich verstand was los war. Ich wünsche niemanden so einen Augenblick. Meine Mutter hatte unerwartet einen Lungenembolie und lag im Sterben. Ich stand völlig neben mir. Alles aus und vorbei. 600 km weit weg. Dieses Schuldgefühl nicht dort gewesen zu sein. Man muss sagen, es war eigentlich nur eine kleine Narbenkorrektur und sie sollte am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Wir ließen alles stehen und liegen und fuhren in die Nacht hinein nach Hamburg. Natürlich zu spät. Ich lag irgendwann Nachts irgendwo auf einem Autobahnparkplatz von Weinkrämpfen geplagt. Absolut verzweifelt und am Ende.
Die nächsten Tage, Wochen, Monate vergingen – ich bekam sie nicht wirklich mit. Es war alles wie in einem Film. Alles läuft an einem vorbei und man ist nicht wirklich dabei. Meinem Vater ging es nicht anders. Irgendwann blieb er länger weg. Er hatte eine neue Partnerin gefunden. Ich war mehrere Tage und Wochen in der Wohnung allein, wo vorher noch die heile Familie war. Wusste nicht weiter. Das Leben um einen hatte und war dabei sich aufzulösen. Es tut heute noch weh und ich glaube es wird auch niemals besser werden. Man lernt nur damit umzugehen.
Irgendwann beschloss mein Vater die Wohnung aufzulösen und zu seiner neuen Partnerin zu ziehen. So dass ich mit meiner damaligen Freundin verabredete. Dass ich uns eine Wohnung und alles organisiere und sie dafür nach Hamburg zieht. So war ich dann 2002 von jetzt auf dann in die Selbstständigkeit entlassen. Ich gab im Studium alles. Machte die letzte Prüfung für das Vordiplom (2,0) – wusste aber nicht was kommen würde. Es gab Geldprobleme. Mein Studentenjob brachte auch nicht genug Geld ein und kostetet zu viel Zeit um noch weiter studieren zu können. Ich suchte in Hamburg nach anderen Möglichkeiten. Ausbildung, Vollzeitjob – Nichts !
Aus dieser Notlage bewarb ich mich sogar in Nürnberg und erhielt dort gleich drei Zusagen für eine Ausbildung. Mitten beim Organisieren des Umzuges nach Franken heirateten wir. Ich zierte mich ein wenig, weil ich mir nicht sicher war ob es das Richtige wäre. Dennoch wurde dann doch ganz unromantisch zwischen Umzugskartons geheiratet. Ich habe mir so was immer anders vorgestellt.
Heirat und am nächsten Tag Umzug. Auf jeden Fall auf Wiedersehen Heimat und hallo Franken.
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