14. Oktober 2014

Rückblende - Teil 4

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Hallo Ihr Lieben,

nach etwas längerer Pause schreibe ich dann mal etwas weiter an meinem Lebenslauf. Dabei ist mir aufgefallen dass ich noch einen wichtigen Punkt in meinem Leben ausgelassen hatte und diesen nun noch nach hole. Vermutlich wird es noch häufiger vorkommen, dass mir etwas einfällt – was ich dann irgendwann separat nach pflegen werde. Jetzt aber viel Spaß mit dem nächsten Teil.

Katastrophenschutz / Wehrersatzdienst (1994-2004)
Warum sollte es mich nicht wie alle anderen auch erwischen? Ich war im letzten Schuljahr auf dem Gymnasium als mich der obligatorische Musterungsbescheid erreichte. Wie war ich begeistert. Mir war allerdings von Anfang an klar das ich dort nicht hin will. Erstens hätte ich mich unterordnen müssen und Zweitens und viel wichtiger konnte ich mit Krieg und alles was dazu gehört noch nie identifizieren. Was machte ich also ? Ich suchte nach Alternativen und fand durch einen Mitschüler heraus, dass es die Möglichkeit gab sich statt Bundeswehr oder Zivildienst freiwillig für 8 Jahre als Sanitäter im Katastrophenschutz zu verpflichten. Man konnte trotz dieser Verpflichtung dann weiter studieren, arbeiten oder eine Ausbildung machen. Kurz um ich war begeistert. Es war der Ausweg aus dem Dilemma also verpflichtete ich mich. Positiver Nebeneffekt man tut wirklich etwas soziales, was allen hilft.

Irgendwann kam der Tag der Musterung. Wer sich das einfallen lassen hat gehört heute noch geschlagen. Man wird quasi wie Vieh von Stadion zur Stadion geschickt. Muss sich entkleiden. Wird von alten Männern begutachtet und landet irgendwann in einem großen Zimmer mit einem fast genauso großen Schreibtisch. Drapiert wird dieser mit diversen Deutschland Flaggen, Bildern vom Bundespräsidenten und einem älteren, wohl hochrangigen, Herren. Dieser erklärt einem dann für was man alles geeignet wäre. Es ging bei mir
sehr flott – Ich sei mit kleinen Einschränkungen perfekt für die Bundeswehr geeignet (Also T2) und klar sie sehen für mich eine große Zukunft bei der Bundeswehr. Es folgten noch ein paar Worte und mir wurde schlagartig klar was los war. Der freundliche Herr wusste mehr. Er wollte mich davon überzeugen zu unterschreiben für längere Zeit bei der Bundeswehr zu bleiben, zu studieren und eine höhere Karriere dort zu machen. Was mir in dem Gespräch klar wurde. Sie wussten von meinen Noten, mein Engagement in Richtung Computer und sie kannten dass Ergebnis vom Intelligenztest aus der Realschule. Schon Klasse, wenn man dass Gegenüber komplett durchschaut.

Umso fröhlicher war ich dann, als ich dankend ablehnte und sagte ich habe mich für etwas anderes entschieden. Das Gesicht hinter diesem Tisch machte kein Hehl daraus wie enttäuscht dieser war. Ein gutes und erhabenes Gefühl zu wissen man macht alles richtig.

Jetzt Jahre später – ich bin längst kein Sanitäter mehr und nicht mehr im Katastrophenschutz tätig – kann ich es resümieren. Es war für mich eine der Besten Entscheidungen die ich in meinem Jungen leben gemacht habe. Klar gab es Sachen die man dadurch gesehen hat, die man lieber nicht hätte sehen oder hören wollen. Aber alles im Allen war es toll. Das Gefühl einem Menschen wirklich geholfen zu haben ist mit nichts aufzuwiegen und machte so manche schreckliche Veranstaltung vergessen.

Nach dem kurzen Intermezzo nun wieder zurück zum aktuellen Stand des Rückblicks.

 

Ausbildung und Vaterfreuden (2004-2006)
Ich zog also 2004 von Hamburg ins tiefste Bayern – Okay nur nach Franken – und begann meine Ausbildung zum Fachinformatiker in Nürnberg. Die Hoffnung das nun alles besser werden würde stellte sich schnell als Luftblase heraus. Hatte ich in Hamburg noch ein gewissen Ausgleich durch Freunde und Sport, so war dies hier nicht mehr gegeben. Die Ausbildung stellte sich nicht als Ausbildung heraus. Mein Arbeitgeber hatte mich von der Berufsschule befreit und setzte mich vom ersten Tag als billige Arbeitskraft voll ein. Ich verdiente zwar für einen Azubi nicht schlecht, aber eben auch weit unter dem was ich eigentlich für meine Arbeit hätte bekommen müssen. Hinzu kam dass ich jeden Tag etwa 3 Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war. Ich war regelrecht gerädert wenn ich Abends heim kam. Wen wundert es jeden Tag um 5:30 Uhr aufstehen und erst um 17:30 wieder daheim.

Zu allem Überfluss zeigte meine Ex-Frau langsam ihr wahres Gesicht, oder ich war einfach zu doof es nicht vorher zu erkennen. Sie wechselte weiterhin munter ihren Arbeitsplatz. Keine Ahnung wie wir es überhaupt geschafft haben uns über Wasser zu halten. Nur jetzt kam noch dazu, dass sie kaum noch was im Haushalt machte. Essen kochen ging noch. Das war es dann auch schon. Kind ins Bett bringen und ein wenig Sachen zusammen räumen war dann mein Sache.

Ich lernte auch immer mehr Ihre charmante Art kennen. Wie leicht sie von einem Moment zum Anderen explodieren konnte. Wie sie es pflegte mit “Freunden” umzugehen. Heute noch Freund, Morgen Erzfeind. Niemand durfte sich ihr gegenüber erlauben zu sagen, was er/sie denkt. Es war äußerst schwierig. Ich erlaubte mir einmal am Anfang zu erwähnen, dass mein Bruder vermutlich etwas besser gemach hätte. Sie ging los wie sonst was, brüllte, knallte die Türen. Ich wurde beschuldigt was mir einfiele. Es war nicht der einzige Ausraster dieser Art. Nur jeder dieser Ausraster sorgte dafür, dass ich mich weiter in mich zurück zog. Eine Beziehung hatte ich mir so nicht vorgestellt.

Sie machte auch vor Ihrer eigenen Mutter nicht halt. Als das in Hamburg passierte dachte ich noch das wäre eine Ausnahme und ihre Mutter so schlimm. Nun wohnten wir aber alle unter einem Dach und es stellte sich heraus. Sie ließ einfach ihre Launen an allen aus die ihr in die Quere kamen.

Der Alltag selbst war auch nicht viel besser. Er bestand daraus, das sie sich beginnend ab 19.00 Uhr eine Sendung wie “Gute Zeiten schlechte Zeiten”, “Alles was zählt”, “Frauentausch”, “Nanny” usw. anschaute. Irgendwann beschloss ich es nicht mehr mit zu machen. Sie schenkte mir aus irgendeinem Grund das Basis Paket von World of Warcraft und ich fing an es zu spielen. Merkwürdigerweise waren 95% aller erstellten Charakter weiblich. Das ist aber ein anderes Thema. Ich begann mich also in die virtuelle Welt zu flüchten. Meist aber erst nach dem ich meinen Stiefsohn ins Bett gebracht hatte.

Es war alles andere als leicht. Meine innerlichen Bedürfnisse mich als Frau zu kleiden kamen auch wieder vermehrt und so griff ich hin und wieder in ihren Kleiderschrank. Es war jedes mal ein Stück befreiend. Zumindest für den Augenblick der Realität zu entfliehen. Ein Glück das ich nie erwischt worden bin. Was hätte das für eine Szene gegeben.

Auf jeden Fall vergingen die Tage und die Monate. Ich funktionierte nur noch. Sex gab es nur dann, wenn Sie ihre mehr oder weniger fruchtbaren Tage hatte. Sie wollte unbedingt schwanger werden. Doch es klappt irgendwie nicht. Eines Tages verstarb die neue Freundin meines Vaters ans Lungenkrebs und wir fuhren zur Beerdigung hoch nach Hamburg. Manchmal tut ein Tapetenwechsel, auch wenn der Anlass nicht toll war, gut und sie wurde erfolgreich schwanger.  Ich war also im Begriff Vater zu werden.

Die Schwangerschaft verging wie im Fluge. Es war eine großartige Zeit und ich möchte sie nicht missen. Mein Ex hatte sich allerdings in den Kopf gesetzt mit aller Macht das Kind mit Kaiserschnitt zur Welt zu bringen. So machte sie im Krankenhaus einen fixen Termin zur Entbindung. Es sollte der 09.02.2006 sein und ich durfte im OP dabei sein. Also Urlaub genommen, Telefon ausgeschaltet und allen mitgeteilt das ich nicht erreichbar bin.

Der wohl tollste Tag in meinem Leben kam. Ich glaube beschreiben kann man das nicht wirklich. Am Vorabend wurde ein Ultraschall zur Kontrolle gemacht. Meine Tochter lag falsch herum im Bauch. Das rechtfertigte also den Kaiserschnitt. Was keiner wusste, sie drehte sich in der Nacht um. Am nächsten Morgen ging es dennoch los. Wenn die Mühlen einmal malen. Mein Ex wurde weggebracht und bekam einen Rückenmarktnarkose. Ich wurde etwas später in den OP gebracht und saß nun am Kopfende. Wir schauten beide auf ein grünes Tuch und warteten auf das was kam. Ein Geräusch als ob man ein Eimer Wasser auf den Boden gibt. Wenig später das erste mal das ich meine Tochter hörte. Sie war geboren. (Tränen in den Augen habe, wenn ich dran denke) Etwas später durften wir sie das erst mal sehen. So klein, so unschuldig. so süß.

Die Hebamme nahm sich ihrer an und ich wurde heraus zum Kreißsaal geschickt. Etwas später wurde mir dann meine Tochter gebracht und ich hielt sie für mich alleine im Arm. Nur ich und sie. Niemand sonst. Mir liefen wie jetzt die Tränen. Konnte es nicht fassen. War total verliebt. Ich war Papa. Das Hochgefühl ist mit nichts zu vergleichen. Ich war das erste mal stolz auf mich. Das erste mal in meinem Leben habe ich wirklich etwas richtig gemacht. Minuten wurden zu Stunden. Sie saugte an meinem Finger.  Ich in rosa Wolken.

Irgendwann später war meine Ex wieder aus dem OP und der Beobachtungsstadion entlassen und wir durften nun unser kleines Kind gemeinsam im Arm halten und Liebkosen. Gegen Abend verließ ich dann das Krankenhaus um mich um meinen Stiefsohn zu kümmern, der bei den Stiefeltern untergebracht war. Die nächsten Tage vergingen schnell und wir waren alle zuhause vereint.

Leider dauerte die glückliche Zeit nicht lange. Die Hebamme die uns besuchte war krank und brachte einen Virus mit. Ein Virus mit dem sich meine Tochter infizierte und als Notfall in ein Nürnberger Klinikum gebracht werden musste. Es sah nicht gut aus. Sie hatte Probleme mit der Atmung. Diesen Anblick hätte ich lieber nicht gesehen. Sie lag da in ihrem kleinem Bett, überall verkabelt. Einen Tropf im Kopf. Ein Häufchen Elend. Ich wollte sie nicht alleine dort lassen. Ich wollte bei ihr bleiben. Doch meine Ex beharrte darauf, dass wir sie alleine
dort lassen und nach Hause gehen sollten. Ich glaube ich habe es mir bis heute nicht verziehen, nicht dort gewesen zu sein. Auch habe ich zu dem Zeitpunkt für mich das erste mal wirklich erlebt wie kalt eine Mutter eigentlich sein kann. Die nächsten Tage musste ich wieder arbeiten und für die Prüfung lernen. So arbeitete ich den Tag. Nach Feierabend fuhr ich ins Krankenhaus, lernte am Bett so gut wie es ging. Es war schwer, überhaupt klare Gedanken zu fassen. Jemand der mich in den Arm genommen und gesagt hätte es wird alles gut gab es nicht.

Doch auch so, es wurde besser. Nach 2 Wochen kam meine Tochter wieder nach Hause. Ich genoss die Zeit jetzt noch mehr als vorher. Tanze mit ihr durchs Wohnzimmer. Wollte das diese Zeit nie enden würde. Es war einfach schön. Dennoch Zeit lässt sich nicht anhalten. Sie wuchs, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Sie wurde größer und größer. Flasche machen, Flasche geben. Dann Gläschen, Dann erster Brei, Brot. sie wurde langsam groß. Mein ganzer Stolz.

Stichworte: Ausbildung Fachinformatiker Lebenslauf Sanitäter Vaterschaft Wehrersatzdienst

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