Hallo Ihr Lieben,
dieser Beitrag hat sich jetzt echt ewig lang hingezogen. Vor allem, weil das Jahr mit Hormonen schon ein paar Tage/Wochen her ist. Ich hoffe Ihr könnt mir das verzeihen. Aber ich war irgendwie seelisch nicht in der Lage meine Gedanken auf das Schreiben zu konzentrieren. Man könnte es auch Schreibblockade nennen. Zu viel ging mir einfach durch den Kopf. Arbeit, Amoklauf in München und dann noch das Selbstmordattentat an einem Ort wo ich selbst erst am Tag zuvor gewesen bin. Keine Sorge ich werde mich nicht weiter dazu äußern. Nur soweit .. meiner Familie, Freunden und mir ist nichts passiert. Keiner ist zu Schaden gekommen. Dennoch bleibt ein beklemmendes Gefühl – gepaart mit der Emotion jetzt erst recht. Und so soll es auch sein. Ich werde mein Leben nicht ändern und es mehr als zu vor genießen. Ich will Euch nun aber nicht weiter langweilen und starte meinen Bericht zu “Ein Jahr mit Hormonen”. Viel Spaß.
Ein Jahr ist um. Ein Jahr seit ich das erste Mal weibliche Hormone zu mir genommen habe. Viel ist passiert, aber auch ganz viel ist eben nicht passiert. Kein Wunder, dass das Jahr ein Jahr der Wechselbäder der Gefühle war. Macht Euch keine Gedanken mir geht es wirklich gut. Auch wenn ich gerade wieder ein schlimmes emotionales Tief hatte, für das ich mich bei allen in meinem Umfeld entschuldigen muss. Sorry dafür.
Es ist eben nicht alles rosig Sonnenschein in einer Transition – auch wenn es viele so versuchen darzustellen. Östrogene sind eben doch kein Allheilmittel für alle Probleme einer Trans*-Person. Sie lindern die seelischen Schmerzen etwas, aber verstärken dafür andere umso mehr. Vielleicht sollte ich mich nicht beschweren oder ich jammer auf ganz hohen Niveau. Schließlich haben die Hormone bei mir doch wirklich positiv gewirkt. Ich bin innerlich nicht mehr so aufgewühlt. Nehme mich ohne wenn und aber als die Person war die ich bin. Ich glaube auch das strahle ich sehr gut nach Draußen.
Doch wo Licht ist ist eben auch Schatten. Körperlich hat sich bei mir nämlich in meinen Augen fast nichts getan. Okay, mein Gesicht hat sich doch massiv zum Positiven geändert und entspricht nun wirklich mehr meinem Inneren Ich. Dann hört es aber auch schon fast auf. Die weiblichen Rundungen wollen einfach nicht so wie ich es gerne hätte. Mit anderen Worten bei mir stellt sich kaum bis gar kein Brustwachstum ein.
Wenn ich so viele höre, welche Schmerzen (ziehen) sie hatten – weil die Brust doch massiv gedrückt hat – umso trauriger werde ich. Was würde ich mittlerweile dafür geben auch nur ansatzweise zu wissen wie es ist. Oder noch viel schöner, wie es wäre eine “normale” Körbchengröße wie A oder B zu erreichen. Stattdessen dümpel ich seit einem Jahr irgendwo bei 105 AAA oder so rum. (Oberbrustweite 113,5 cm, Unterbrustweite 105 cm).
Ein Glück das es noch die Möglichkeit einer Brustvergrößerung (Brustaufbau) gibt. Ich denke ich werde die wirklich in Anspruch nehmen, auch wenn ich dadurch dann einen Fremdkörper in meiner Brust habe. Klar Brust ist nicht alles. Ich bin auch so eine Frau! Aber richtig wohlfühlen werde ich mich so wohl nie.
Und damit komme ich zum nächsten Punkt. Ich hätte nie Gedacht wie extrem sich die eigene körperliche Wahrnehmung gegen das bestehende Genital richten kann. Ich wünsche das wirklich niemanden. Früher war es mir ja egal ob es da ist oder nicht. Nur jetzt steigerte es sich schon ein paar mal die letzten Wochen so hoch, dass ich am liebsten aus meinem Körper gefahren wäre. Ich wollte nur noch weg von dem Teil zwischen meinem Beinen und mir. Nur wie kann man vor etwas fliehen, was ein “fester” Bestandteil des Körpers ist ? Ich hätte die Wände hoch rennen können.
Es war einfach nicht zum Aushalten und das Schlimmste nichts half. Jegliche Ablenkungen funktionierte nicht. Ich konnte nur froh sein, dass mir dann doch irgendwann die Augen zu gefallen sind und ich nach ein paar Stunden Schlaf halbwegs wieder “normal” war. Mittlerweile bin ich daher nur noch froh und dankbar, wenn es endlich soweit ist und ich die geschlechtsangleichende Operation bekommen kann. Ich will hieraus und das so bald wie möglich. Drückt mir einfach die Daumen.
Ansonsten habe ich durch den ganzen psychischen Stress dann die letzten 2-3 Monate mir ganze sieben Kilo angefuttert. Seufz. Gut, ich hoffe ich habe jetzt nochmal die Notbremse gezogen. Das man mit weiblichen Hormonen leichter zunehmen soll – kennen bestimmt viele Frauen. Die auch ein Lied davon singen können. Ich hab auf jeden Fall beschlossen ab sofort wieder zwei mal die Woche laufen zu gehen. Auch wenn es keine riesen Strecke am Anfang ist (3,5 km) aber ich denke es ist einfach ein guter Schritt für mich.
Außerdem ist es ganz sicher nicht verkehrt vor der Operation sein Herzkreislaufsystem noch mal wieder in Form zu bringen. Darüber hinaus bekomme ich beim Laufen den Kopf frei. Was in manchen Situationen mir bestimmt helfen wird.
So, und nun noch zu der blöden Phase der letzten Tage / Woche – Und warum mich mein Umfeld einfach nicht verstehen konnte. Ich fand mich mal wieder einfach nur schrecklich. Viel zu maskulin. Einfach Bäh. Dann gab es beim Einkaufen etc. noch ein paar blöde Blicke und ich war ganz am Boden. Leider half es auch nichts mehr, dass ich mit einer Freundin in Bamberg zum “Party” machen unterwegs war. Die Party fiel nämlich einfach aus, weil niemand dort war. Shit happens … Es kam einfach alles zusammens, das Loch was ich mir selber grub wurde immer tiefer.
Die Gedanken düsterer und düsterer. Kein Wunder das ich wie ein kleiner Kaktus stachelig wurde und alle in meinem Umkreis an zickte. Ich will niemanden weh tun. Ich komme nur in den Momenten nicht mit mir selber klar. Dabei hätte einfach ein simples anerkennendes Wort von jemanden außerhalb der Familie gereicht mich wieder aufzubauen. Doch auch das blieb aus. Ich weiß nicht wer das von Euch kennt, wenn man sich selber einredet. Man wird von niemanden gemocht, bzw. gar nicht wahrgenommen. Das Neutrum unter den Neutrums.
Klar es ist alles Schwachsinn und ich weiß das es anders ist. Nur es ist eben nicht leicht daraus zu kommen. Ich glaube, dass ich es jetzt geschafft habe und ich die Selbstzweifel erstmal zur Seite legen kann. Hoffentlich bleiben sie diesmal wieder länger weg. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Ich wünsche mir nur von allen als Frau gesehen zu werden. Egal ob sie meine Vorgeschichte kennen oder nicht.
Und damit dass jetzt keine dauerhafte Selbstbemitleidung wird ein mal die Wahrheit. Damit ich sie einfach mal festhalte und mir selbst vors Auge führen kann. An schlechten Tage (Bad-Hair-Day, usw.) falle ich eigentlich kaum noch auf der Straße auf. Wenn von zehn Leuten sich nur acht nach mir umdrehen und mich an starren. Sind es keine 20% die mich durchschaut haben, sondern 80% die mich voll und ganz akzeptieren. Ich muss lernen es einfach positiv zu sehen.
Vor allem, wenn ich geschminkt bin und mich auch entsprechend zu recht mache schaut mich keiner mehr an als ob sie sagen wollten schaut euch das mal an – wie furchtbar. Viel mehr (so am Wochenende erlebt) gehe ich bei 100% aller Menschen auf der Straße als Frau durch und nur noch die Männer glotzen. Und ja das Gaffen ist kein Gaffen, weil sie mich durchschaut haben, sondern weil sie mir hinter schauen. Fragt nicht wie, aber du merkst es einfach – dass es ein anderes schauen ist. Wenn sich nur die Männer nach dir umdrehen. Ihre Blicke dich prüfen ob du eine potentielle Flirtkanditatin bist. Naja und eine Blicke verraten eben auch schon mehr.
Krass ist es aber erst, wenn die vermeintliche Partnerin direkt neben ihnen steht und sie sich dennoch zu dir drehen. Hauptsache sie können noch einen Blick auf den Hintern ergattern. Alleine dieses Erlebnis hat mich jetzt so extrem aufgebaut und ich hoffe ich kann noch länger davon zerren. Fakt ist ich habe festgestellt, dass ich mehr raus muss. Ich muss eindeutig mehr Selbstvertrauen tanken. Mit anderen Worten – Ich bin wer ich bin und ich sollte stolz auf das sein was ich erreicht habe. Vergiss die fehlende Oberweite. Sei einfach du selbst.
In diesem Sinn auf das nächste Jahr mit Hormonen. Vielleicht tut sich ja noch was und wenn nicht ? Ein Plan B gibt es immer ..
Liebe Grüße
Blackwitch
VioLa
Hallo Blackwitch,
zunächst mal Respekt. Ich finde deinen Blog wirklich sehr gelungen, wenn ich auch nicht alles kommentiere. Wir kennen uns ja auch noch von anderer Stelle und deshalb möchte ich mich hier nicht in allen Punkten zu sehr verlieren.
Ich kann leider noch nicht nachempfinden wie es ist, wenn man Hormone nimmt und weiß auch noch nicht, wie sich das auf den Körper auswirkt. Ich denke aber, dass Hormone, je nach Präparat und Frau, unterschiedlich wirken. Auch habe ich an anderer Stelle mal gelesen und das mag ich sogar glauben, das so Sachen wie Rundungen an den gewissen Stellen, die Körbchengröße usw. mit der genetischen Veranlagung zusammenhängen.
Nun haben Ladys wie wir ja nicht unbedingt von Mutter Natur die Veranlagung mitbekommen, sonst hätten wir die Problematik ja gar nicht, aber ich denke, wenn man lang genug Hormone nimmt, tut sich auch was.
Ich denke, von dem Tag an, wo man Hormone nimmt, beginnt die eigentlich Pubertät und, nun ja, ein junges Mädchen hat ja auch nicht von einem Jahr aufs Nächste ne annehmbare Körbchengröße 😉
Aber wie gesagt, ich kann da noch nicht mitreden. Mein erster Termin beim Endokrinologen ist erst am 24.08. und ich denke nicht, dass ich da direkt ein Rezept bekomme oder?
Was das Körperempfinden angeht, ich denke, dass ist auch normal das das öfter mal wechselt. Geht mir im Grunde auch so und ich bin noch längst nicht so weit und so hübsch wie Du. Da haben die Hormone doch schon super Arbeit bei Dir geleistet, denn ein anderer Mensch guckt immer erstmal auf bzw in das Gesicht (Männer mal außen vorgelassen die natürlich andere Körperteile präferieren 😉 ) und da sehe ich bei Dir eindeutig eine Frau. Genau so wie beim Rest der Figur, was ich zumindest von den Bildern her beurteilen kann und die Männer die sich nach Dir umdrehen sehen das wohl genau so :).
Okay, ich nehme mich selber auch ganz anders wahr, wie vielleicht andere. Wenn ich mich im Spiegel sehe, sehe ich eindeutig eine Frau, dass war schon immer so. Wenn ich jemand anderes Frage sagt der zu mir “ey Alter”, was dann eindeutig genug ist 🙁 . Du siehst, auch als noch nicht Frau ist es schwer und ja, auch ich habe meine dunklen Momente. Die gehören glaube ich dazu. Aber lassen wir uns nicht beirren und den Spaß nicht nehmen.
Als Frauen sind wir glücklich(er) oder sollten es zumindest sein und so sollten wir auch leben. Schließlich ist es das Leben, dass wir uns aus tiefstem Herzen erhofft und gewünscht haben und deshalb ist doch im Grunde alles gut :).
So wie ich das sehe, gehst Du deinen Weg und Du gehst ihn prima :). Es gibt für uns Frauen kein richtig oder falsch. Jeder Weg den wir gehen, gehen wir weil er uns das Leben spüren lässt und dazu gehören nun mal Höhen und Tiefen und manchmal eben auch Stacheln. Wer sagt denn das wir jedem an jedem Tag gefallen müssen ;).
Damit möchte ich für heute erstmal zum Ende kommen.
Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe und das Du stets mit Dir im Reinen bist. Lass uns einfach Strahlen und das Leben so gut es geht genießen, alles andere kommt dann von selbst.
Drück Dich ganz lieb <3
Deine Vio
PS: Und denk immer dran, gute Mädchen kommen in den Himmel und böse überall hin ;). Wir rocken das Leben schon und wir rocken es gut 🙂
Blackwitch
Hallo Vio,
auch Dir einen herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Du wirst sehen, eh Du Dich versiehst hast Du das Rezept für die Hormone in der Hand. Allerdings ist es doch arg unwahrscheinlich, dass Du es beim ersten Termin bekommst. Die werden sich erstmal ein Bild (Blutbild) von Dir machen wollen. In der Regel gibt es dann ein paar Tage einen weiteren Termin bei dem Du dann das Rezept bekommst.
Danke dass Du mich so weiblich findest und nur noch eine Frau siehst. Mir fällt es eben halt an manchen Tagen schwer, wobei es schon besser geworden ist. Übrigens ist das Gesicht nicht ganz allein der Verdienst der Hormone. Nicht umsonst hat man mir immer Milchgesicht (Milchbubi) nachgesagt. Und mehr möchte ich dazu auch gar nicht ergänzen. Ich sollte mich viel mehr einfach freuen, dass es so ist wie es ist. <3
Liebe Grüße
Blackwitch
Sascha F.
Bevor ich mir bei jedem Beitrag denke “will ich endlich mal kommentieren, wenn ich Zeit und Muse habe”, tu ich es jetzt einfach mal …
lese total gerne bei Dir. Ein ganz anderer Weg, aber ähnliche Stationen, und teilweise auch ähnliche Erfahrungen und Meilensteine … meine Rechtskraft liegt seit ein paar Tagen vor, Ausweis wird die nächsten Tage beantragt. Hormone seit Januar also etwas über der Halbjahresmarke …
Was Du hier aktuell schreibst von den positiven Veränderungen, aber auch dem Frust, das mache ich gerade auch durch, und was Du hier schreibst, spricht mir aus der Seele …
man muss versuchen es positiv zu sehen, aber an manchen Tagen ist das sehr schwer. Da kommt dann alles zusammen, und es fühlt sich so frustig an. Nach so wenig Fortschritt. Das, was einem so wichtig ist, passiert einfach nicht, und es ist schwer sich über die anderen Dinge zu freuen, …
ich wünsche Dir alles Gute, und dass Du einerseits selber mit Dir besser klarkommst (das ist manchmal nicht leicht, wenn man zum Kaktus wird *g*), aber vor allem, dass auch die gewünschten Fortschritte eintreten.
Und ich bin gespannt, weiter bei Dir zu lesen, Dich virtuell begleiten zu dürfen. Du hast eine sehr angenehme, offene Art zu schreiben, das macht es sehr sympathisch. Freue mich, weil es nur wenige Blogs dieser Art gibt, die mich ansprechen und die ich regelmässig lese 🙂
Blackwitch
Hallo Sascha,
vielen Dank für Deinen Kommentar und dann auch gleich Asche auf mein Haupt, dass ich bei Dir noch selbst nicht so aktiv war. Das werde ich aber gleich nach meinen Heimaturlaub in Hamburg nachholen – vor allem auch endlich mal ein Kommentar bei Dir hinterlassen.
Ich wünsche Dir natürlich auch alles erdenklich Gute und dass die schlechten Phasen auf Dauer immer weniger werden und dann eigentlich nur noch glücklich Dein Leben leben kannst. Okay, utopisch aber wünschenswert. Jeder Mensch hat halt mal Probleme.
Liebe Grüße
Blackwitch